Scheisstage und was sie uns lehren können

6. Jul. 2017 | Alle, Comedy | 0 Kommentare

„Scheisstage und was sie uns lehren können“?

Es ist erst 17:39 und ich kann jetzt schon sagen: dieser Tag war schon mal ein Scheisstag!

Heute früh hatte ich – was manchmal vorkommt – eine Comedy Tour für einen Haufen Bullen. Tatsächlich waren Polizisten an Bord! In Hamburg schießen sie um sich und hier machen sie Tralala. Was kann ich sagen: ich habe normalerweise nichts gegen Polizisten, ich habe ihnen immer schon freundlich zugenickt und in Dresden hat mir einer mal fast mein Fahrrad repariert. Die von heute Morgen aber waren anders.

Die Comedy Tour ist ein Knochen-Job. Vielleicht der knochigste, den ich bis jetzt in meinem Leben gemacht habe (außer dem Abend, an dem ich in Brooklyn Theater gespielt habe – Ibsens „Little Eyolf“. Ich war damals schon die Mutter im Stück und hinter der Bühne lauschte ich am Walkie Talkie den Technikern beim Actor-Bashing. Kurz bevor ich auf die Bühne musste, brüllte die Inspizientin ins Rohr:“Der Typ ist der Grund, warum sie Prozac erfunden haben!“ Ich schluckte und betrat die Bretter, die gemeine Kommentare bedeuteten. Aber wir waren wirklich ein bisschen überdramatisch, so dass auch die theaterungewöhnte Jugend im Publikum anfing, sich über unsere Köpfe hinweg kleine Gemeinheiten über uns Bühnenvolk zuzurufen, um sich irgendwie bei Laune zu halten – bis heute eine traumatische Erinnerung in meinem Repertoire der Grausamkeiten)

Ich habe vor ein paar Jahren damit angefangen, Leuten München auf unterhaltsame Art näherzubringen – mit dem Comedy Bus durch die schöne Stadt. Eine der härtesten Schulen, die ich je besucht habe. Menschen zum Lachen zu bringen muss man wollen, unbedingt wollen, sonst geht man lieber ein Eis essen oder ins Büro. Ich habe schon immer gern gehört, wenn Menschen lachen, weil sie mich lustig finden. Nachdem die erste Zeit im Bus eine Tortour war, von der ich mit Stolz behaupten kann, sie gemeistert zu haben, ist sie in den letzten Jahren zu einem Spielplatz für mich geworden, einem Probierfeld, das immer noch leicht zu irritieren ist durch Stau oder einen betrunkenen Kölner in der ersten Reihe, dessen Anforderungen ich mich jetzt aber gewappnet sehe und weiss, wie ich mit jeder Situation umgehen kann. Ich bin guten Mutes, fühle mich auf alles vorbereitet, wenn ich sage, dass mich nichts mehr aus dem Gleichgewicht bringt, keine Solopremiere, kein Auftritt vor unserem Bundespräsidenten – nüscht!

Junge Männer, die auch mal lustig sein wollen

Heute hatte ich allerdings denkbar schlechte Karten: einen Haufen junger Männer, die viel lieber um 11 Uhr schon in großen Schlucken Bier getrunken hätten, als sich von mir die Stadt zeigen zu lassen, kombiniert mit Stau im großen Stil und einem Busfahrer, der München und die Route nicht kennt – sagts ruhig: ich Arme! Der Unterschied zwischen Bus und Theater: die Leute reden mit, wären auch gern mal lustig und rufen rein, wenn sie irgendwas zu meckern haben. Im Theater sind die Leute leise, egal, wie schlecht sie etwas finden. Sie zücken vielleicht heimlich ihr Smartphone, aber das war es dann auch schon. Einer ruft „Buh!“? Bitch, please! Ich habe heute professionell durchgezogen, geatmet wie ein Weltmeister, manchmal ganz viel Tempo rausgenommen und den Leuten tief in die Augen geschaut. Trotzdem hat mich das verbeamtete Testosteron-Team nicht kalt gelassen und ich habe geschwitzt wie der Teufel.

Mein Leben! Ich habe mein Leben verloren!

Aber alles geht einmal zu Ende und schließlich konnte ich am Karlsplatz aus dem Bus klettern und freute mich, entkommen zu sein. Ich wollte mein Handy zücken und einer Freundin von der Höllentour berichten – das brauch ich dann manchmal, wenn es gar so anstrengend läuft. Ich greife also in meinen grünen, unförmigen Sack (siehe Bild) und fische nach meinem Telefon. Fehlanzeige. Ich stutze: das kann nicht sein! Springe in einen Hauseingang und schütte meine Tasche auf den Boden: kein Handy. Falls von euch jemand zwischen Hugendubel und Obletter stehend gegen 12:45 Uhr gemütlich eine Zigarette geraucht hat und plötzlich einen Marlon-Brando-Schrei aus dem Eingang hinter sich gehört hat: das war ich. Die Nerven blank, das neue Handy (eine Millionen Mark!) weg, verschwitzt am Stachus – was ist schlimmer? Ich rannte nach Hause und unterwegs fiel mir alles ein, was ohne dieses (nicht gesicherte) Handy alles schwierig werden würde in meinem Leben. Kontakte: weg. Geschäftskorrespondenzen über WhatsApp: weg.

Ich erinnerte mich an ein von mir belächeltes Mädchen, das einst neben mir in der U-Bahn anfing, bitterlich zu weinen. Als ich sie fragte, was denn los sei, antwortete sie: „Ich hab mein Handy verloren“ worauf ich altersweise lächelte und dachte: mei, die jungen Leit. Jetzt saß ich also fluchend in der Bahn, neben mir die Leute rückten weg und ich verstand das arme Kind, entschuldigte mich im Geiste bei ihr und starrte auf den Boden.

Zitronen und Zitronenbrause

Meist macht einem das Leben die Zitronenbrause selbst, ich muss oft gar nichts dafür tun. Trotz meiner genuinen Verzweiflung konnte ich nicht anders, als vor mir eine Frau mit einer Tasche und dem Aufdruck „Ich bin glücklich“ zu sehen und daran denken, dass der Himmel oder sonst jemand sich jetzt sicherlich ins Fäustchen lacht und denkt: a! Geh!

Es ist immer wieder der Alltagskopf, der Probleme macht. Wir sagen, dass wir Überraschungen lieben, aber das stimmt nicht. Natürlich lieben wir den unerwarteten Lottogewinn, die zufällige Begegnung, die zur Liebe wird. Aber Überraschungen, die nicht in unser Konzept passen, nennen wir „Problem“.

Ich war so geschüttelt, weich geklopft heute, dass ich im Nachhinein sagen kann: das hat gut getan. Ich brauche manchmal eine Dusche Leben, um wieder richtig atmen zu können. Und dieser tag hat mich durchgebraust – auch, wenn sich das ein bisschen schmutzig anhört.

 

 

 

 

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