Ghosting – Gedanken zu einem gruseligen Thema

1. Nov. 2019 | Alle | 2 Kommentare

Was ist denn eigentlich „Ghosting“?

Passend zu Halloween kommt ein gruseliges Thema: Ghosting! Das Wort „Ghosting“ habe ich zum ersten Mal vor ein paar Jahren gehört. Sean Penn wurde von einer Hollywood Schauspielerin offensichtlich auf diese unelegante Art verlassen: sie hat sich schlicht nicht mehr gemeldet, wurde zum Ghost, war für ihn nicht mehr erreichbar.

„Ghosting“ – ein schickes Wort für „Ich verpiss mich mal“

Ich habe damals gedacht, wie doof die Amis sind. Wie oberflächlich. Wie asozial. Typisch! Nach der Penn Story habe ich allerdings auch aus Deutschland immer häufiger Ghosting Geschichten gehört. Für mich fielen diese in eine Kategorie mit den Berichten irgendwelcher Bekannten oder Bekannten von Bekannten, die von Abenden erzählten, an denen sie nach Hause kamen und entweder ihren Mann/ihre Frau mit einem/einer Anderen im Bett erwischten (das passiert tatsächlich!) oder plötzlich in einer leergeräumten Wohnung standen, in deren Mitte ein Zettel mit der kurzen Nachricht stand, dass sie gerade verlassen wurden – Danke für die Information!

Ghosting? Das passiert MIR doch nicht!

Ich habe jedenfalls immer gedacht: wie unbedeutend muss eine Beziehung sein, wenn du dir nicht mal die Zeit nimmst, deinem Partner, der ja häufig auch mit dir zusammen wohnt, nicht mal ins Gesicht sagen zu können oder wollen, dass du dein Leben ab jetzt anders gestalten möchtest? Wie kommunikativ ungenügend, wie dämlich, unreif, menschlich am Boden? Und ich war stolz darauf, dass ich in meinen Beziehungen eigentlich immer eine ganz gute Kommunikationskultur gepflegt habe.

„Ghosting“ – kann doch jedem mal passieren…

Bis ich neulich dann doch erfahren durfte, wie sich klassisches geghostet werden anfühlt. Spoiler alert: nicht gut. Und dabei hatte alles so nett angefangen. Man hätte denken können: schaun wir mal, wohin das führt (und als Frau mit Sehnsuchtsbegabung sehe ich natürlich schon die Hand-in-Hand Spaziergänge am Horizont und frage mich, wohin unser erster gemeinsamer Kurzurlaub gehen könnte).

Große Versprechen, die man sich selber gibt. Und ganz kleine, auf die nichts folgen muss

Aber kurz nach der Ouvertüre, die Appetit auf mehr machen soll und natürlich auch macht, passiert das unglaubliche. Nämlich: nichts. Und zwar gar nichts. Gutmeinende Freunde beraten mich, wie ich mich idealerweise verhalten solle. Am besten nicht melden, am besten abwarten, was in den ersten Tage auch noch köstlich sein kann, nimmt man an, dass der andere vielleicht genauso vor dem Handy hockt und sich fragt, wann man sich denn nun melden darf. Nach ein paar Tagen werde ich heroisch: ich kann es leisten! Ich kann ihm einen Freiraum bieten. Er braucht seine Zeit, seinen Raum. Ich fühle mich gut, ich verteidige mich und ihn vor Freunden, die sagen, dass das ja wohl ein Würstchen sein müsse, der die Eier nicht in der Hose habe, wenigstens abzusagen. Eine Freundin rät mir, ihn anzurufen und freundlich nach dem „Warum nicht?“ zu fragen. Pfff!

Die Stimmung kippt, mein Kopf brennt!

Ein bisschen später beginnt ein emotionaler Schmerz, den ich mit dem einer Blasenentzündung vergleiche – passenderweise kennen Männer Blasenentzündungen nicht so gut. Für alle, die noch nie eine hatten: der Schmerz ist ätzend. Ein unruhiger, chaotischer Schmerz, der dich nicht ruhig sitzen lässt, der dich springen lässt und fluchen und mit dem du dich auf wirklich gar nichts konzentrieren kannst, weil dein Körper an sehr empfindlichen Stellen brennt und schreit. Diese Art von Ghostingschmerz ist ganz genau so. Er zieht dir die Energie literweise ab, die dann leider nirgendwo hingeht, die einfach verbraucht wird für Leiden und Schmerzen. Die Frage nach dem Warum habe ich mir zum Glück nicht besonders intensiv gestellt. Wozu? Wenn ich mich jetzt auch noch selber auf Stellen und Verhaltensweisen abklopfe, die nicht liebenswert sind, dann kann ich mich gleich von einer Brücke schleudern. Und das mache ich nicht, tut mir leid, Monsieur.

Wenn eine Leere so groß wird, dass du keinen Platz daneben hast, musst du die Luft rauslassen

Irgendwann habe ich alle guten Ratschläge, die meinten, ich solle Zeit lassen, in den Wind geschossen und eine WhatsApp geschrieben. Hatte ich davor nur meine Phantasie um den geheimnisvollen Mann, der vielleicht mit hochgeschlagenem Kragen durch die Stadt läuft (seine Wohnung liegt nur 300 Meter Luftlinie von meiner entfernt – keine Hilfe, kann ich euch sagen!) und seine verwirrten Liebesgedanken sortieren muss, wurde es jetzt konkreter. Das Vakuum, das mich tagelang in Atem gehalten hatte, war so gewachsen, dass es dem völlig gesunden Teil von mir absurd erschien. Ich musste handeln. Und das tat ich auch.

I put a spell on you

Eine WhatsApp als Bannbrecher, als freundliche Handlungsaufforderung, die, wenn sie ignoriert wird, tatsächlich als feige gelesen werden kann. Eine Aktion, die, unbeantwortet, mir meine eigene Handlungshoheit zurückgegeben hat.

Who are you?

Auch, wenn ich dachte, dass ich mit diesem Mann mal ganz konservativ in die Rolle des wartenden Weibchens gehen würde, habe ich für mich festgestellt: ich bin einfach keine elegante Wartefrau, die auch Taschentücher fallen lässt und sich hinter Fächern versteckt. Und wenn ein Mann das nicht aushält, mit mir nicht klarkommt, sich überfordert, unterfordert fühlt, sich unsicher ist, ob ihm genug an mir gefällt oder nicht, dann muss ich leider sagen: I prefer not to. Lieber bald ein Nein als ein Anfang, der schon heiß an der Enttäuschung langschrappt. Ich kenne ein paar Männer, die sich „ein bisschen“ einlassen, nur um bei jedem Date dann das Haar in der Suppe zu suchen.

Wie soll man’s denn machen?

Heute habe ich noch mit einer Freundin gesprochen, die meinte, sie würde nochmal nachfragen, weil sie gern wissen würde, warum er sich so endgültig, plötzlich und lautlos zurückgezogen habe. Ehrlich gesagt: ich nicht. Ich lauf bestimmt nicht zu einem Kerl, damit der allen Mut zusammen nehmen darf um mir ganz mutig zu sagen: du warst mir einfach zu X. Und dann soll ich mich vielleicht noch ganz großzügig bedanken für seine Offenheit? Vielen Dank, aber DAS muss ich wirklich nicht wissen.

Ist Ghosting angemessen für einen kurzen Ausrutscher ins Glück?

Was soll man sagen nach einem Abend, der ein Glitzern in den Augen hatte, nach ein paar Küssen, die schön aber noch ohne Geschichte waren? Jedenfalls nicht nichts. Wir sagen sogar beim Zahnarzt ab, wenn wir einen Termin nicht einhalten können, vertrösten Bekannte und geben uns Mühe, freundlich zu bleiben. Wer denkt, die Vogel Strauß Methode wäre barmherzig, der ist nicht erwachsen, sondern feige. Nach so einem Abend kann man meinetwegen per SMS sagen, was Sache ist, wenn man sich nicht traut zu telefonieren. Aber so zu tun, als wäre nichts gewesen, ist respektlos.

Meine Tipps zum freundlichen loslassen

Ich habe mir tatsächlich ausgedacht, was ich sagen würde, wenn mir das gleiche passieren würde, was eine angemessene Art des Kontaktabbruchs nach einem Abend gemeinsamen Lachens, Küssens und Redens wäre:

  1. Meine alte Jugendliebe ist plötzlich aufgetaucht und es war irgendwie gleich wieder wie früher!
  2. Ich merke, dass ich wirklich noch nicht bereit bin für etwas Neues.
  3. (Wer noch eine wirklich gute Ausrede/ Easy-Loslass-Geschichte hat: bitte mailen!!!)

 

 

2 Kommentare

  1. Habe das eben gelesen und mich ziemlich geschämt. Ich selbst hatte noch nie eine Blasenentzündung, aber ich fürchte mal eine ausgelöst zu haben.

  2. Ich glaube, die meisten Frauen hatten schon mal eine. (Oder meinst du das Ghosting? Dann würd ich an deiner Stelle JETZT noch anrufen, auch, wenn es schon lange her ist) Liebe Grüße!!

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