Storytelling – Geschichten als magische Wegweiser

24. Jan. 2018 | Alle, Vortragscoaching | 0 Kommentare

Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, machte der Kinder Knax Klub der Sparkasse Minden-Lübbecke einen Playmobil-Männchen-Anmal-Wettbewerb. Man konnte sich ein reinweisses Playmobil-Männchen in der Sparkasse abholen und es zu Hause so gestalten, wie man mochte. Schließlich würde das beste Männchen einen Preis gewinnen. Ich war nie eine große Ostereierbemalerin und ich erinnere mich daran, dass mir auch das Männchenbemalen nicht so richtig die Freudentränen in die Augen trieb. Aber das Ergebnis war passabel und stolz brachte ich meinen kleinen Gewinner zur Jury.

Das kindliche Genie

Ich wartete eine Weile und wurde unterdessen immer sicherer, dass mein geht-so Figürchen vielleicht doch mehr war, dass mein kindliches Genie wahrscheinlich schon bald von ein paar Sparkassenmitarbeitern entdeckt werden würde.

Schließlich flatterte ein Brief ins Haus. Da ich schon lesen konnte und in meiner Riesenfamilie sich niemand weiter für den Wettbewerbsausgang interessierte, konnte ich den Brief allein in meinem Zimmer studieren.

Wir halten für dich

Nachdem die Jury das Schreiben damit eingeläutet hatte, dass sehr viele Kinder teilgenommen hätten, stand da wörtlich: „Wir halten für dich“.

Mir wurde schwindelig. Mein Kopf warf sofort den großen bunten Projektor an und ich stellte mir vor, wie es zu harten Verhandlungen in der Jury gekommen war. Wie ältere Männer zusammen gesessen und darüber gestritten hatten, welches Kind den Preis bekommen sollte. Wie eine Fraktion darauf bestanden hatte, dass nur Susanne Plassmann des ersten Preises würdig wäre, während die Medusa der Sparkasse, der Graf Zahl der Abteilung vermutlich ein anderes Kind in den Topf warf, bestimmt ein blondes, deren Vater vielleicht der Direktor der Bank war – aber keine Angst! Die gerechten hielten ja für mich! In meiner Phantasie war gebrütet worden, geraucht und keine Gefangenen gemacht.

Alle Aschenbrödels dieser Welt – unite and take over

Ich war mir 100% sicher, dass in ein paar Tagen eine Gruppe Abgesandter der Sparkasse zu uns nach Hause kommen, an die Tür klopfen und nach Susanne Plassmann fragen würde. Meine Mutter hätte keine Ahnung, was los wäre und würde ein bisschen zu laut nach oben bölken, dass ich runter kommen solle. Wie Aschenbrödel stiege ich die Stufen hinunter und der bewundernde Blick der wichtigen Männer und der meiner unwissenden Mutter träfen mich. Niemand in der Familie hätte geahnt, dass er all die Jahre mit einem Genie unter einem Dach gewohnt hatte.

Puff!

Bevor die Szene noch ganz zu Ende geträumt war, beschloss ich, weiter zu lesen und mir Stoff für noch mehr Phantasie zu holen.

So erfuhr ich schließlich, dass der oben zitierte Satz eine Fortsetzung hatte. An „Wir halten für dich“ schmiegte sich „ein kleines Geschenk in deiner Filiale bereit.“ Puff!

Meine Träumerei war mir im Nachhinein ein bisschen peinlich, aber ich holte mir das kleine, eingeschweisste Plastikfigürchen bei dem Sparkassenangestellten Herrn Piepenbrink ein paar Tage später ab.

Kleine Menschen – große Träume

Als Kind träumt man groß. Man ist die junge Heldin im eigenen Leben. Darum macht es vielleicht auch nichts, dass Menschen in Märchen aufgegessen werden oder wilde Hexen herumlaufen. Bigger than Life ist die Devise, Kinder trauen sich das „Mehr ist Mehr“!

Ich habe eine Definition für das Genre „Märchen“ gelesen, in der es heisst: im Märchen wird das Vorhandensein übernatürlicher Figuren zu keinem Zeitpunkt bezweifelt, sondern ihre Existenz ist allgemein anerkannt. Wenn das nicht auch eine Definition für Kindheit ist, dann weiss ich es nicht.

Glaube versetzt Berge

So ist es, klein zu sein. Hexen, gute Geister, Mutter Maria, das Christkind oder einfach du selbst als Superstar: you name it!

Der Herr Staudinger aus München, ein toller Heilpraktiker, hat einmal in einem Vortrag gesagt, dass er es skandalös fände, dass es „erlaubte Magie“ für Kinder nur noch in Form des Weihnachtsmannes und des Osterhasen gäbe.

Unaufhaltsam kommt so für jedes Kind der Tag, an dem es von irgendeinem großen Menschen dafür ausgelacht wird, dass es so dämlich ist, an die Existenz dieser magischen Platzhalter zu glauben. Dann schämt es sich für seine Dummheit und das erste Übergangsritual ist begangen: wie doof bist du denn, dass du an etwas glaubst, das keiner sehen kann, wir haben dich sauber verarscht!

Die schöne Innenwelt der Kinder, die eigentlich alles ist, was sie haben, liegt erstmal in peinlichen Trümmern. Außen gibt es Listen und Pläne, die eingehalten und abgehakt, Schulfächer, die gewuppt und Hobbies, die gepflegt werden müssen.

Der „wichtige, große Mann“ muss auch mal nach Hause gehen

Und natürlich die Welt der Großen, die über alles lacht, was leise spürt und still empfindet, alles abkanzelt, was nicht empirisch belegt und wissenschaftlich erforscht ist. Die das „Innen“ von einem zarten zu einem schwächlichen Ort macht und an nichts glaubt, was man nicht sehen kann. (Ausser vielleicht an Radiowellen – die sieht man zwar nicht, aber da haben sich große Männer mit beschäftigt, dass das funktioniert kann keine Hexerei sein!)

Dieses „Innen“, die Magie des eigenen Raums, muss dann später mühevoll zurück erobert werden, wenn der Burnout die Menschen aus ihrem funktionierenden „Aussen“ schubst, wenn eine persönliche Krise den schön eingerichteten Alltag verwüstet.

Das Herz ist nicht nur Organ

Grau und an einigen Stellen schwer abgenutzt, merken die Menschen dann, dass sie noch zart sein können, dass das Herz ein Tempel ist und nicht nur ein arbeitendes Organ. Dass unsere Magie uns hilft zu leben, zu glauben, zu kreieren, zu berühren. Großzügig und freundlich.

Und dann fangen wir wieder an, Geschichten zu erzählen. Neue Geschichten wie kleine Wasser, die sprudeln und strudeln, die beleben und inspirieren.

Geschichten sind das zarte Heilmittel für zarte Plätze, die verlacht und verboten wurden. Geschichten bringen die Schwingungen zurück, den Tanz ins Leben. Aus Gleisen können wieder Wege werden. Und alle echten Wege führen nach Haus.

Storytelling kann man lernen. Ob beruflich oder privat: wenn ihr euch für  Kurse und Coachings zu dem Thema interessiert, meldet euch bei mir. Außerdem bereite ich gerade mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter Events vor, die dem Leben mit Geschichten Farbe geben.

 

 

 

 

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