Fremdärgern kostet Lebenszeit!

30. Jun. 2017 | Alle, Aus dem Leben | 4 Kommentare

Ich bin eine große Fremdärgerin. Warum eigentlich?

Gestern Abend bin ich mit einem Freund zu einem Pizza-auf-die-Hand-Stand an der Tegernseer Landstraße gegangen.

Der Pizzamann hinter der kleinen Theke verabschiedete sich von einem Kumpel mit den Worten: „Ciao Bruder!“ bevor wir an der Reihe waren. Dann schob er unser Stück vegetarische Pizza in den Aufwärmofen und verschwand nach hinten. Wir warteten und warteten und ich dachte schon, dass gleich unser schönes Stück Pizza klein und kokelig werden würde, als ein junger Mann den Laden betrat und geduldig neben uns stehen blieb. Der Pizzabursche kehrte zurück – ich innerlich so: ah! Jetzt kommt er gerannt, um unser heißes Eckchen zu retten! – und fragt den jungen Mann freundlich, was er gern hätte, ohne auch nur einen Blick auf den Ofen zu werfen, in dem unser Abendessen schmort. Der junge Mann, weisses T-Shirt, Kopfhörer noch in den Ohren, sagt ruhig und mit angenehmer Stimme: „Ich hatte angerufen und zwei mal Lasagne bestellt, die wollte ich abholen.“ Der Pizzamann schaut ihn irritiert an und sagt: „Wir haben heute keine Lasagne.“ Der junge T-Shirt Träger bleibt ganz ruhig: „Ich hatte angerufen. Ich habe die Lasagne vorhin bestellt und Ihr Kollege hat gesagt, ich könnte sie abholen.“ Pizzamann denkt kurz nach: „Nein, wir haben keine Lasagne. Nur Mittags. Der Kollege hat „Zweimal Salami“ verstanden. Die sind fertig.“

Fremdschämen kennt jeder – was ist mit Fremdaufregen?

Ich hatte die ganze Unterhaltung gehört. Innerlich wappnete ich mich zumindest auf ein „Ach!“ oder vielleicht ein ironisches „Superladen!“ von dem jungen Mann, gefolgt von einem genervten: „habt ihr keine Nudeln?“ (Ich kann euch sagen: wenn ich Hunger habe und mich auf eine Lasagne freue, werd ich ziemlich grantig. Da hätte Pizzamän mit meiner Fantasiereaktion des jungen Mannes noch Glück gehabt).

Aber der freundliche Gast sagte nichts, schaut weiter lächelnd ins Gesicht des Pizzakellners, der dann sagt: „was möchtest du dann?“ Und der Kunde, der zwar kein Kaiser aber 100% gelassen ist, antwortet: „dann nehme ich die Salamipizzas!“ Nickt herzlich, geht zum hinteren Tresen, bezahlt und lässt kein Wort mehr über die Sache fallen, kein „Ihr solltet vielleicht mal zum Ohrenarzt!“ von der Seite oder so was. Lächelnd geht er, die Pizzas im Arm.

Dieser Abend wird ihm nicht durch ein nicht mehr zu lösendes Missverständnis ruiniert. Ein Mann wie ein Fluss – fließt einfach über Hindernisse hinweg! Ich frage mich, ob er total high ist oder Guru und laufe ihm hinterher. Vor ihm stehend rufe ich: „Sie sind mein Held! (darf man Leute um die 20 duzen?) Dass Sie so freundlich geblieben sind, macht Sie heute Abend zu meinem Vorbild.“

Der junge Mann will etwas erwidern und beginnt mit: „naja, was kann man sonst schon…“ Aber ich bin in Fahrt und drücke ihm ein „schönen Abend noch und vielen Dank!“ in die Hand und bin auch schon draußen.

Wenn man die Augen aufmacht, sieht man alles, was man braucht.

 

 

 

 

4 Kommentare

  1. Und ist eure vegetarische Pizza währenddessen verkokelt? Hatte ihr Holzkohle zum Abendessen?

  2. Ja! Und sie war nicht mal schlecht;)

  3. liebe Susanne,
    was für eine großartige Story … die beflügelt. Ich will mich auch weniger fremdärgern – sofort. Danke dafür!
    herzlichst Katrin / soulsister meets friends

  4. Liebe Katrin, danke! Ich kenne das Fremdärgern so gut und bin jedesmal dankbar, wenn mir jemand zeigt, wie man es auch machen kann 😉 Liebe Grüße, Susanne

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