Ich habe gestern meine erste Anfrage bekommen, als Gastbloggerin einen Beitrag zu schreiben. Ich war natürlich stolz und so, dachte: yeah! (das hab ich echt gedacht!) Wie cool bin ich?
Der junge Mann, 35, rief mich dann sehr freundlich an und erzählte mir begeistert von seinem Projekt. Eine Seite für alle, die Inspiration in ihrem Leben suchen. Toll! Und um zu unterstreichen, dass die Seite sich wirklich an ALLE Menschen wende, die offen für Unterstützung seien, wurde er in der Beschreibung seiner Zielgruppe genauer: „Die Seite ist für den angestellten Manager genauso, wie für den selbstständigen Handwerker. Oder die allein erziehende Mutter, die sich mit Minijobs über Wasser hält.“ Hier stutze ich. Abwarten. Noch kann er auch auf die erfolgreich arbeitenden Frauen verweisen, die Inspiration brauchen. Aber es geht weiter: „Oder für den Angestellten, der einen Schritt in die Selbstständigkeit machen will. Den Sachbearbeiter, der Coach werden möchte. Die Frau, die seit 10 Jahren in einer Beziehung ist, aus der sie gern raus möchte.“ An dieser Stelle hake ich nach und hoffe, dass er meinen Wink versteht. Ich frage ganz unschuldig: „Also soll die Seite eher nichts für berufstätige Frauen sein?“ „Doch!“ platzt es aus ihm heraus: „Für alle!“ und die Aufzählung geht weiter. Auf absolut gleiche Art.
Wer es nicht schafft, bei drei auf den Bäumen zu sein, ist selber Schuld
Dass sich viele immer noch nichts anderes vorstellen können, als arbeitende Männer, die weiterkommen wollen und traurig leidende Frauen, die Kraft und Zuspruch brauchen, nervt mich wahnsinnig.
Mir begegnen immer offener Männer, die wenig brauchen um Hass auf „die Frauen“ in die Augen zu kriegen: „die Frauen“, die die Männer ausnehmen, „die Frauen“, die länger leben („Warum wohl, hä?“) „die Frauen“, die sagen, dass es keine Gleichberechtigung gäbe. Sie sind da ganz zutraulich und erwarten von mir vermutlich entweder Verständnis, oder sie meinen explizit mich – was mich echt ärgert, weil keiner von denen meine Miete zahlt. Und ob ich länger lebe als die, ist ja wohl mein Bier.
Wenn ich drüber nachdenke, werde ich wirklich ratlos. Dann wütend. Und dann wieder ratlos.
Der Versuch, ganz tapfer über die eigenen Grenzen zu gehen
Und dann sehe ich ein Bild von der Women Speaker Association auf Instagram, ein Blümchen wächst aus Steinen, eine schlichte Großbuchstabenschrift malt mir folgendes auf die Linse: „A successful woman is one who can build a firm foundation with the bricks others have thrown at her.“ Furchtbar!
Heute gilt: alles kann, alles muss. Wir taumeln und sind dann selbst Schuld, wenn uns tötet, was uns so schön hart hätte machen können.
Ich war wütend. Jetzt bin ich wieder ratlos.
Bei einem Halbsatz hatte ich gestutzt und ihn zweimal lesen müssen:
„… arbeitende Männer, die weiterkommen wollen und leidende Frauen, die Kraft und Zuspruch brauchen.“
Da hatte ich mich verlesen, und „leitende Frauen“ gelesen – brauchen die Kraft und Zuspruch? Und leidende Männer?
Die wollen derart weiterkommen, dass sie Reißaus nehmen?
Wie auch immer – der Oberinspirator hat Deinen Gastbeitrag nicht gekriegt. Für leitende Frauen ist er wohl auch der Falsche?
„Leitende Frauen“ hätte mich nicht mal entzückt. Aber schee wärs scho gewesen… Liebe Grüße!