Desperado

20. Mrz. 2017 | Alle | 0 Kommentare

Eine alte Bekannte von mir hat versucht, sich umzubringen. Sie hat überlebt.

Jetzt ist sie über alle Maßen verzweifelt.

Ich lese viel auf Facebook von Trainern und Coaches, von Begleitern und Gurus.

Letztens gab es bei einer wirklich tollen Marketing Trainerin die Aufforderung zum Thema „so bin ich wirklich!“ etwas zu schreiben. Sie hatte in einem Text über die eingegangenen Beiträge gesagt, dass sie sich freuen würde, dass alle Teilnehmer so ehrlich und mutig schrieben.

Ganz neugierig fing ich an zu lesen und wurde schlimm enttäuscht. Gleich die ersten zeigten sich als konzentrierte Arbeitsviecher, immer motiviert, immer balanciert, immer 100%. Natürlich ließ man die ein oder eine „Unvollkommenheit“ durchblitzen (zu perfekt ist auch nicht sexy) aber das meiste war dann so „Ich lasse öfter mal eine Kaffeetasse auf meinem Schreibtisch stehen und neulich habe ich frech meine 10 km Joggingrunde bei 9 km abgekürzt;)“

Manchmal knirscht die Positivität, das gute Gefühl wird zum emotionalen Tinitus. Ja! Ja! Ja!

Und dann kommt die Nachricht, dass sich ein Mensch, den ich kenne, mit dem ich zusammen gearbeitet habe, nicht mehr leben will.

Natürlich nimmt mich das mit und natürlich denke ich nach über all das Netzwerken und all die strahlenden Gesichter, die ein „Daumen hoch!“ in die Netzhaut tätowiert haben.

Auch ich finde negative Menschen anstrengend. Die ewig-schwarz-Seher sind nicht besser als die alles-Blümchen-Finder. Und vielleicht bin ich einfach noch nicht so weit und vielleicht muss ich da noch an mir arbeiten aber bitte: selbst Buddah sagt, dass das Leben Leiden ist. Buddah!

In der Business Welt haben Emotionen wahrscheinlich nicht viel verloren, aber bei den Trainern, Coaches und Gurus, die sich selbst als Mensch in den Mittelpunkt stellen, wäre es manchmal ganz angenehm, wenn ausser einem niedlichen Pony-Pusten oder einem starken und klaren Arme-in-die-Seite-Stemmen ab und an auch mal der „Mensch“ durchkäme, der schwitzt und blutet. Was dann bewegt, ist großes Material. Da komm ich auch mit und schaue: wie macht sie das? Die hat ja genau solche Probleme wie ich! Wie geht sie damit um? Meine alte Schauspiellehrerin hat immer gesagt: „Das Heulen ist nicht interessant. Interessant ist der Kampf dagegen.“

Der Kampf dagegen ist das Leben. Und der Kampf dafür. Und der Kaffee zwischendrin. Und natürlich auch die Feier eines erfolgreichen Tages. Aber immer nur Weihnachten verdirbt die Kekse.

Wir können uns ruhig manchmal trauen ein bisschen „gucken zu lassen“, wie man im Theater sagt.

Auch die Gurus haben Krisen, auch ein Trainer muss mal heulen. Wenn sich die professionellen Vorbilder häufiger trauen würden, auch mal schwach zu sein, auch mal keine Ahnung zu haben, den Weg erst zu finden, vielleicht sogar digital begleitet von den Coachees, die sie in ihrem Netzwerk haben, wäre das eine kleine Revolution. Du musst nicht alles wissen und können, du darfst lernen, mit Situationen umzugehen.

Mensch-sein ist das neue Cool.

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