Ich lief laut heulend über den Karlsplatz mitten in München.
Zwei junge Türken kamen zu mir und fragten, was denn los sei.
Es ging nicht um einen Mann und es war auch niemand Wichtiges gestorben. Mein Publikum hatte mich gekillt.
Ich hatte zu der Zeit einen Job als Comedienne, die in einem Bus auf lustige Art ihre Zuschauer durch München führt – der härteste Job, den ich jemals gemacht habe.
Eine echte Bühne bedeutet Klarheit: ich oben im Licht, du unten im Dunkeln.
Bühnen haben eine bestimmte Architektur, einen Aufbau, ähnlich einem Kirchenraum, der die Konzentration nach vorne erleichtert, sogar erzwingt. Und es gibt in Theatern Konventionen: ich sitze ruhig, ich errege keine Aufmerksamkeit, schon ein Husten ist peinlich, weil ich das, was wirklich wichtig ist, nämlich was auf der Bühne passiert, störe. Beides zusammen, Konvention und Architektur, sind Dinge, die den Spielern das Leben ungemein erleichtern.
In einem Bus ist alles anders.
Die Leute sind leicht abgelenkt, du hast als Schauspieler oder Comedienne keine erhöhte Position, die es leichter macht, das Publikum zu erreichen. Und wenn irgendetwas passiert – ein Stau, zu viele rote Ampeln – dann werden alle schnell unruhig. Die Leute fangen an, durch den Bus zu rufen, vielleicht sogar zu laufen, sich mit anderen Gästen zu unterhalten. Der Alptraum für jeden, der einen „Unterhaltungsauftrag“ hat.
So war es an diesem Abend gewesen.
Ich hatte jede Autorität verloren.
Ich war schon lange Schauspielerin, hatte auf sehr vielen Bühnen gestanden, hatte moderiert, gecoacht und Vorträge gehalten. Aber dieser Job war eine echte Herausforderung – um es positiv zu sagen.
Fast jeden Abend, den ich auf der „Busbühne“ stand, hatte ich das Gefühl, die Leute wollen mich töten. Das hört sich dramatisch an, aber jeder und jede, der oder die mal auf einer Bühne gestanden hat und untergegangen ist wie eine Bleiente, weiss, wovon ich rede: es ist WIRKLICH so dramatisch.
Ich hatte mir vorgenommen, zu lernen, wie diese kleine, komische Bühne funktioniert
Jeden Abend analysierte ich meine Auftritte. Ich fragte mich, was das Problem war, warum ich das Gefühl hatte, dass die Leute von mir das Kostbarste wollten, das ich hatte: mein Leben.
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: sie wollen mich! Und ich halte immer etwas zurück und gebe mich nicht ganz, halte meinem Publikum das vor, wofür sie gekommen sind: Verbindung mit dem Künstler, um einen schönen Abend zu haben.
Sie wollen mich nicht töten – sie wollen sich verbinden
Als ich das verstanden hatte, war klar, was ich tun musste: mich öffnen für mein Publikum, mich nicht aus Angst vor ihnen verstecken, mich nicht schützen vor Verbindung. Ich hatte die Werkzeuge und das Training, das Vertrauen – und den Mut.
Diese Erkenntnis hat mich verändert. Alles, was ich will, ist, mich mit dem Publikum zu verbinden, wirklich da zu sein für die Leute, die gekommen sind, um mich zu hören. Das Gefühl, dass ich mich an die anderen verschenke, ist das Wichtigste, wenn ich auf die Bühne gehe. Die Leichtigkeit, der Spaß und die Intensität kommen dann fast von allein.
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