Weihnachten. Fröhliche Weihnachten! Weihnachten riecht nach Mandarinen und Tanne und Heizungsluft – seit ich in einer Wohnung mit einem fensterlosen Bad wohne nicht mehr nach ausgepusteten Streichhölzern. Fun fact: Wusstet ihr, dass sich der Geruch von abgebrannten Streichhölzern über alle unangenehmen Gerüche legt, weil wir darauf programmiert sind, den Geruch von Feuer vor allen anderen Gerüchen wahrzunehmen?Das funktioniert bei uns auf dem Klo sehr gut, aber wie gesagt: die weihnachtliche Stimmung ist irgendwie dahin…
Weihnachten ist auch die Zeit, in der wir jedes falsche Wort noch persönlicher nehmen als sonst, in der wir eine Sehnsucht haben nach etwas, das wir gar nicht wirklich kennen und in der wir, wenn wir stark sind, geschenkte Schokolade einfach weiter verschenken.
Ab August fragen wir uns, was wir machen sollen an Weihnachten – jedenfalls wenn wir solo sind. Familie? Freunde? Oder ganz mutig: alleine meditieren? Verzeihen oder abschließen? Etwas kaufen oder das Bücherregal nach etwas durchsuchen, das man noch weitergeben kann.
Essen, Glühwein, Geschenke und Weihnachtskarten – das alles war einfach leichter, als wir Kinder waren. Ich habe 5 Geschwister und natürlich war Weihnachten das größte. Als wir klein waren, gab es am 24. einfach einen riesigen Ball aus Freude und Magie, ein Christkind, das wahrscheinlich fliegen konnte und eine Spannung, ein inneres Glühen, das die Welt in einen liebenden Brand steckte, der die ganze Nacht loderte und erst am nächsten Morgen langsam verglomm. Es war auch egal, was wir geschenkt bekamen – ich erinnere mich an ein Weihnachten, an dem wir alle Mülleimer kriegten. Einfach je zwei Kinder einen Mülleimer, weil wir immer zu zweit zusammen in einem Zimmer wohnten. Egal, was uneingepackt auf dem Gabentisch stand: wir freuten uns wie die Engelchen zur Mannazeit. Es war laut und warm und wir waren wie ein Organismus, der tanzend, singend und jauchzend das Fest der Liebe feierte.
Das Paradies verschwand nicht auf einmal. Schritt für Schritt löste es sich auf, der eine Freundenkörper zerfiel in seine Glieder und so sehr wir auch versuchten, wieder eins zu werden: der Baum der Erkenntnis stand zwischen uns. Die Magie war entlarvt als Trick, mit dem sich die Erwachsenen über die Leichtgläubigkeit der Kleinen lustig machen.
Der 24. Dezember ist wahrscheinlich der mit Erwartungen und Enttäuschungen überfrachtetste Tag des Jahres – dicht gefolgt von Sylvester und Black Friday. Nie merken wir unser Vertriebensein aus dem Wunderland mehr, als zu Weihnachten. Wir wünschen uns so sehr, dass in der stillen Nacht in unserem Inneren ein Lichtlein angeht, das uns mit allen Menschen, die uns lieb und teuer sind, verbindet. Und wir haben eine so genaue Ahnung davon, wie diese Verbindung aussehen sollte, dass die Trennung schneidet wie die Eiseskälte, die es nur zu unserer Kindheit an Weihnachten gegeben hat. Damals warteten drinnen noch Kakao und Plätzchen auf uns, serviert von einer Oma, die in meiner Erinnerung lächelt und das ganze Jahr ein wärmendes Feuer im Herzen trägt.
Vielleicht bin ich auch allein mit meinen Erwartungen, mit meinem Herzenswunsch nach Liebesmagie und den kleinen Feuern, die wir für einander anstecken. Vielleicht sind alle anderen erwachsen genug, um zu sehen, dass Weihnachten eigentlich nicht viel mehr ist, als eine Deadline im Kalender, ein familiäres Großprojekt, von dem sich alle heimlich wünschen, dass es doch schon vorbei wäre.
Und vielleicht fällt es auch vielen ganz leicht, sich zu verbinden, ohne unerfüllten Herzenswunsch und eine Einsamkeit am Tisch, die sonst nicht so schwer und sichtbar ist. Vielleicht helfen eigene Kinder und man kann sich als Eltern an ihre Freude hängen und versuchen, ein bisschen von ihrer großzügig verschenkten Energie zu trinken, selbst weit zu werden vor dem Zauber der heiligen Nacht, auf den wir kollektiv programmiert wurden.
Vor ein paar Jahren habe ich beschlossen, ein Ventil zu öffnen und diesen armen 24. Dezember ein bisschen zu entlasten. Seit dem habe ich mich entschieden, ab November jeden Abend, den ich schön finde, der irgendeinen Zauber trägt, weil die richtigen Menschen zusammen sitzen, weil gelacht wird und weil ich mich wohl fühle, „Weihnachten“ zu nennen. Der 24. kann sich seit dem ausruhen und ich komme immer wieder zu unverhofften Geschenken an Beisammensein. Das ist ein bisschen meine Version von Carpe Diem, davon, die Vorweihnachtszeit zu genießen und nicht nur stressig zu finden.
Ich wünsche mir, dass jede Polka Lounge irgendwie Weihnachten sein kann – auch, wenn sie im Mai oder Juni stattfindet. Ein bisschen Magie, ein Zauber der uns zusammenbringt, ein Netzwerk an Licht und vielleicht sogar Liebe. Alle zusammen: Familie der Menschen. Keine Erwartungen, nur Geschenke. Und Augen, die leuchten, obwohl sie erwachsen sind.
Ich weiss nicht, wie hoch meine Rente sein wird, aber ich weiss, dass ein Teil von mir alt ist wie der Uhu, der im Nymphenburger Schlossgarten lebt. Ich war vor einiger Zeit mit einer Freundin dort und durfte ihn sehen. Er saß hoch in einem Baum und eine ganze Traube von Menschen stand um ihn herum und zeigte aufgeregt zu ihm hoch. Der Uhu wirkte wie ein Besucher aus einer anderen Dimension, ruhig und so präsent, dass um ihn herum die Luft dichter und der Himmel größer wurde. Ein Mann neben mir rief aufgeregt: „der ist ganz schüchtern wegen der ganzen Aufmerksamkeit!“ Der arme Trottel. Dieses Tier war Magie und eine Erinnerung daran, dass unsere Welt nicht bloß aus Rendite, Investition und Statistik besteht. Daran, dass es Geheimnis gibt und Tiefe und Weite.
Wenn man ein bisschen schaut, ist Weihnachten überall. Ein freundlicher Hinweis darauf, dass wir alle zusammenhängen wie die Bläschen im Badeschaum. Und dass, wir mehr sind, Liebe mehr ist, Menschsein mehr ist als kalkulierbares Risiko und fotografierbare Erlebnisse. Liebe ist Verbindung. So sehr Amazon und Google auch versuchen, die Qualität der Liebe objektiv messbar zu machen am Wert der Gegenstände, die wir verschenken und geschenkt bekommen.
0 Kommentare