Der Tod ist eine Bitch. Auch, wenn man gedacht hat, dass er eine Erlösung sein wird für den Menschen, der stirbt.
Meine Tante ist grade gestorben. Wir hatten nicht viel Kontakt, obwohl sie bei uns gelebt hat. Ich habe sie nicht wirklich gut gekannt und in den letzten Jahren auch nicht oft besucht – sie war im Altersheim und ich nicht oft in Minden, man findet Ausreden.
Ich sage immer, dass mir Verbindung das wichtigste ist im Leben. Egal, ob ich coache, auf der Bühne stehe oder einfach mit Menschen bin. Die direkte Verbindung zum Gegenüber ist durch nichts zu ersetzen. Und dann stirbt meine Tante, ein Mensch (ich habe nur eine Tante und einen Onkel – jetzt nur noch einen Onkel), der mit meiner Geschichte, mit meinem Leben so stark verbunden ist, wie sonst nur meine Geschwister und meine Eltern. Und ich merke: Verbindung war da nicht viel. Wir haben uns erinnert an die Zeit mit ihr, an legendäre Aussprüche und lustige Situationen – sie war wirklich lustig, meistens ein bisschen unfreiwillig, aber sie hat beigetragen zum Plassmannschen Unterhaltungspotential.
Meine Tante war „behindert“. Oft haben wir gehört „die kann das doch nicht so“. Heute ist die Behinderung, die sie hatte, lächerlich. Menschen, die diese Einschränkung heute haben, die meine Tante, Jahrgang 36, seit ihrem sechsten Lebensjahr begleitete, nehmen ein paar Pillen und führen ein ganz normales Leben. Meine Tante musste damals in ein Kinderheim – vielleicht, weil es der Führer so wollte – und wurde von strengen Nonnen beim Putzen kontrolliert. Mit sechs oder sieben Jahren. Als Teenager durfte sie nach Hause, der Krieg war aus und vermutlich wollte und konnte sich die Kirche nicht mehr kümmern. In ihrem Dorf war sie die Behinderte. Bekloppt. Nicht ganz zurechnungsfähig. Meine Mutter hat erzählt, dass sie von allen geduzt wurde, weil sie eben die Blöde war. Sie kannte nichts, als das Leben bei ihren Eltern und als die starben, sie war ungefähr 50, war sie so verloren, wie ein kleines Kind und musste zu uns, ihrer Schwester, deren Mann und Kindern und zu der Schwiegermutter. Meine Oma kannte sie von früher und natürlich von den Besuchen in den Jahren zuvor. Den Stempel „Blöde“ hat sie bei uns behalten.
Und wie gründlich sie nicht ernst genommen wurde, ist mir nach ihrem Tod erst richtig bewusst geworden. Sie war immer ein bisschen zu aufgeregt oder ganz ruhig – in den letzten Jahren eher ruhig. Und wir fanden ihre Aufregung immer witzig, haben sie oft ausgelacht
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