Wichtigstes Ziel für heute: ein großes Bier!

1. Aug. 2017 | Alle, Aus dem Leben | 0 Kommentare

Wichtige Ziele.

Ich schreibe seit ein paar Wochen „Journal“. Gelesen habe ich darüber bei einer tollen Coachin, die schrieb, wie wichtig positives Zielesetzen, Dankbarkeit und „Think Big“ seien. Ich „journale“ also fleißig und bin auch ganz begeistert.

Für mein „Journaling“ habe ich mir 3 neue, super schicke Moleskin Weichhefte in dunkelbraun gekauft, die edel aussehen und Spaß machen.

Und nachdem ich erstmal nur eins brauche, um meinen morgendlichen Schreibfluss festzuhalten, dachte ich: geb ich meinem Freund W. eins von meinen Heftchen. Optimierung, Zielsetzung und „Höher, Schneller, Weiter“ können wir alle brauchen.

Für wen optimieren wir uns nochmal?

Als ich W. nun am Telefon so erzähle, dass ich ihm gern ein Schreibheft für seine persönliche Weiterentwicklung schenken möchte und schon denke, dass er die Idee und das superschicke Geschenk bestimmt begeistert und dankbar annehmen wird, wird es still am anderen Ende der Leitung. W. denkt nach.

Irgendwann sagt er: „Du, Susanne, was soll ich denn da rein schreiben? Montag: aus dem Fenster schauen. Dienstag: Spaziergang zum Edeka. Mittwoch: ein großes Bier.“ Wir lachen beide. W. sagt: „Ich bin echt froh, dass ich keine Ziele habe. Nichtstun! Herrlich!“ Ich beneide ihn sofort und komme mir mit meinem Hamsterradgeschenk ein bisschen blöd vor.

Es gibt Leute, die „Nichtstun“ aushalten können, die damit zurecht kommen und denen es dabei gut geht (W. tut natürlich nicht den ganzen Tag nichts, aber er hat sich wirklich gut und ökonomisch eingerichtet, würde ich sagen.) Und dann gibt es Leute, für die das der Alptraum schlechthin ist – mein Exfreund sagte immer, dass „La dolce far niente“ für ihn die buchstäbliche Hölle sei.

Bis auf den Herzschlag jede Aktivität kontrollieren und das meiste in die Zeit stopfen.

Vor ein paar Jahren hat meine liebe Freundin C. eine Ausstellung plus Podiumsdiskussion organisiert, entworfen und realisiert. Die Ausstellung hieß „Doing nothing all day“ – und darum ging es auch. Was machen Leute, die nichts tun müssen? Zur Podiumsdiskussion kamen interessante Gäste. Yogastudiobesitzer, Parlamentsabgeordnete, Gastronomen und so. Die sollten darüber reden, wie es ist, „Doing nothing all day“ zu praktizieren – und überboten sich gegenseitig in der Aufzählung von Aktivitäten. Wer da alles noch die Eröffnung neuer Lokalitäten plante, die Zeiten zwischen Flügen von A nach B am effektivsten zu nutzen wusste oder einfach mit Anfang 50 neben allem anderen noch Latein studierte – oder war es Philosophie? Mir schwirrte jedenfalls der Kopf. Ich war zu dem Zeitpunkt grade wieder nach München gekommen, auf der Suche nach mir und dem Sinn des Lebens und noch nicht voll beschäftigt. Während ich den Arbeitsbienen beim Aufzählen vom Nützlichsein zuhörte, wurde ich immer wütender. Irgendwann rief ich dazwischen, dass ich das Thema für verfehlt hielte. (Nach wie vor ein aufregender Punkt in meiner Biografie. Ich denke gern daran zurück, wie sich ab diesem Zeitpunkt die Diskussion drehte, wie Leben in die Bude kam und alles aseptisch-Perfekte ein bisschen anfing zu atmen, die Menschen menschlicher wurden und auch das Publikum sich zu regen begann und mittat)

Natürlich will ich weiterkommen. Aber mit leicht-über-40 bin ich nicht mehr so getrieben und kann auch tagelang vor mich hin schauen. Wirklich schön.

Ich freue mich schon auf Anfang September: Italien! Google sagt: Fare qualsiasi cosa il piu dolce – das süßeste Nichtstun! Wenn es nicht stimmt: auch egal.


 

 

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