Liebeskummer und Anarchie

31. Jan. 2017 | Alle, Aus dem Leben | 0 Kommentare

Ich habe schon häufig Liebeskummer gehabt. Einmal so schlimm, dass ich ganz langsam durch strömenden Regen lief. Gar nicht, weil es nach Musikvideo aussah, ich konnte einfach nicht schneller.

Damals war ich 20, ich habe viele Kilos abgenommen, Martini Bianco getrunken, eine Woche mit heruntergelassenen Rollos „Nothing compares to you“ gehört und dazu 60 Zigaretten geraucht.

Dann hatte ich einmal Rachefantasien, so schlimm, dass ich daran dachte, eine „Revenge Agentur“ aufzumachen, wo Leute hinkommen können, die sich legal so gemein wie möglich an ihren Ex-Liebhabern rächen wollen (35). Ich habe Gedichte auf Tapete geschrieben (16), nachts um drei Uhr das Festnetztelefon dauerklingeln lassen (22) und bin meinem Schwarm böse auf den Fuß gestiegen, damit er sich irgendwie an mich erinnert (13). 

Einige meiner Freundinnen und Freunde können sich sicher daran erinnern, wie ich grundlos in Tränen ausgebrochen bin, beim Karaoke so getan habe, als müsste ich lachen und in Wirklichkeit geweint habe und viel Geld bei dubiosen Handlesern gelassen habe. Ich erinnere mich an eine Kölner Freundin, die wesentlich älter war als ich mit meinen 20 Lenzen und die mir, nach einer herzzerreißenden Weinorgie in einer Kölschkneipe den beinharten Satz „Nutze es!“ mit auf den Weg gab. 

Und wie alle Liebesveteranen habe ich irgendwann, als die Sonne wieder heller wurde und die Luft frischer, gedacht, dass mich die Erfahrung meines gebrochenen Herzen wirklich weiter gebracht und ruhiger gemacht hat, erwachsener (ich mag erwachsen werden. Ich laufe schnell weg, wenn ich höre, dass Männer von sich behaupten, „noch Kind“ zu sein). 

Beim letzten richtig schlimmen Liebeskummer war ich 35. Was ich in dieser Zeit merkte, war, dass der Zustand, dieses Ereignis Liebeskummer nichts ist, was von Außen wirklich begleitet oder eingeschätzt werden kann. Es ist wunderbar, wenn du Menschen hast, die dir zuhören, die dich mitnehmen und dafür sorgen, dass du mal wieder rauskommst. Aber die ganze Zeit, in der andere das Programm machen und sich um dich kümmern, bist du immer auch allein. Genauso wie nachts und morgens und in der Dusche und auf dem Weg zur Arbeit. Jeder Rat ist nur gut gemeint. Was in der jeweiligen Sekunde hilft, kannst nur du wissen.

Dieses allein sein mit allem irgendwie, bekommt nach einer Weile etwas unglaublich Anarchisches. Du hörst auf, dir Ratschläge zu holen, fragst niemanden mehr und kümmerst dich um dich selber.

Ich weiss noch, wie ich mit 20, während meines ersten Liebeskummeranfalls nach Tagen des Weinens und Klagens einen ruhigen Moment hatte. Ich fuhr die Rolltreppe hinunter Richtung U-Bahn, der Himmel wurde dunkel, wolkenlos, und ich wusste auf einmal, dass ich alles dafür tun würde, auf eine Schauspielschule zu kommen. Manchmal sage ich heute, dass diese Trennung mit 20 das beste war, was mir hätte passieren können. Ich wäre nie aus Köln und von meinem damaligen Freund weggegangen. Dank der Trennung hatte ich die Kraft einen neuen Schritt zu machen, neue Wege zu gehen. 

Ohne Liebeskummer – und der Liebeskummer ist nur eine der (freundlicheren) Grenzerfahrungen, die man machen kann – fügen sich die meisten viel zu bereitwillig in Muster und Strukturen.

Es passt nicht so ganz, naja, egal. Ich mache die Augen ein bisschen zu, dann gehts schon.

Dieser Kummer, diese spürbar unbefriedigende Situation, für die es keine Lösung im Verweilen gibt, ist das, was dir die Augen aufreisst und wo nichts anderes mehr geht als hinschauen. Und was dann passiert, ist wild, frei und unberechenbar. 

Darum glaubt nicht, dass das Leben zu Ende ist, wenn die Liebe geht. 

Oder, wenn der Job frustrierend ist: große Unzufriedenheit birgt großes Potential. Nutze es!

Nachtrag Juli 2017

Ich habe diesen Artikel nur geschrieben, weil im Januar ein Mann, in den ich sehr unglücklich und lange verliebt war, ein PDF veröffentlicht hat, in dem er über seinen Liebeskummer, den irgendeine Frau in ihm ausgelöst hat, schrieb und umständlich schwurbend über das Konzept „Liebskummer“ philosophierte. Das hat mich – nach vielen Jahren – immer noch gekränkt und inspiriert zugleich, so dass ich dachte: Fuck you, Arsch!

Mein Gott, was Liebeskummer mit den Menschen macht! Wie lange eine Ablehnung einen kränken, wie tief eine Wunde gehen kann. 

Daran zu denken – eine sechswöchige Affäre, Jahre her! – macht mich immer noch auf eine Art und Weise unruhig und traurig, dass es mir peinlich ist und ich mich schlecht  fühle. Da dieser Text nur als Nachsatz in einem alten Blogartikel zu finden ist, denke ich, dass sich hier nur jemand hinverirrt, der ein ähnliches Thema hat.

Lass dich gedanklich umarmen, Bruder oder Schwester in Geist und Verletzung.

Und meld dich gern! Dann trinken wir schweigend Kaffee. Ich halte deine Hand und du die meine und vielleicht wissen wir ein bisschen, wie es dem anderen geht…

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